Ein skorpionbetonter Mensch würde Rilke sofort Recht geben. Für einen eingefleischten Stiertyp tönt es eher ungemütlich, ist doch gerade das Stetige, Gleichbleibende und Überschaubare sein Lebenselexier. Im Wonnemonat Mai zeigt sich die Natur in ihrem
schönsten Kleid. Farben und Wohlgerüche liegen in der Luft, und der Modergeruch fallender Blätter scheint sehr weit weg zu sein. Es ist auf einer tiefen instinktiven Ebene verständlich, diesen schönsten aller Zustände bewahren zu wollen und ihn, wenn es sein muss, mit Zähnen und Klauen zu verteidigen. Aber jeder Gärtner weiss, dass die neue Saat auf dem Humus der abgestorbenen Pflanzen des vorangegangenen Zyklus keimt. Das ergibt kräftige Pflanzen, die auch einem Unwetter standhalten können. In künstlichen Nährlösungen
gezogene Pflanzen sind dagegen bekanntlich nicht sehr widerstandsfähig und haben wenig Geschmack. Die moderne Gesellschaft gleicht ein wenig diesen künstlichen Pflanzen. Wenn ich immer wieder lese, dass wir in einem materialistischen Zeitalter leben, komme ich ins Grübeln. Mir kommt es eher so vor, als hätten wir uns immer mehr von der Materie entfernt, so dass gerade in der Zeit des Blühens und der grössten Fruchtbarkeit in der Natur viele Menschen mit allergischen Anfällen darauf reagieren.